Als junger Mensch verbrachte ich 1962 ein Jahr in Paris. Und machte im Gefolge unseres Kunstlehrers mit der Kathedralgotik Bekanntschaft und der Tatsache, dass im 11. Jh. Frankreich von Deutschland die Führerschaft im Kirchenbau übernommen hatte.
Damals ahnte ich nicht, welch großen Platz ich mittelalterlicher Architektur später im Ruhestand einräumen würde.
Schließlich gelandet im Dunstkreis von Köln hatte ich die Problematik direkt vor Augen. Dreh- und Angelpunkt ist das Datum 1248 – die Grundsteinlegung des Domchores, nicht nur von Lokalpatrioten als Beginn der allgemeinen Einführung der Gotik in Deutschland betrachtet.
Damit hinkte der Einsatz des neuen Stils rund ein Jahrhundert der Gotik im Ursprungsland Frankreich hinterher.
Interessant in diesem Zusammenhang: Der letzte romanische Großbau in Köln, St. Kunibert, wurde erst 1247 fertiggestellt.
Andererseits wurde die Grundsteinlegung für den gotischen Chor der Minoritenkirche in Köln schon drei Jahre vor der des Domes gefeiert.
So sind in Köln, der „Stadt der tausend Kirchen“, Verlauf und Problematik des Übergangs besonders sichtbar.
Im übrigen Deutschland wurden Jahrzehnte vor 1248 andere Großbauten begonnen, die allgemein als „gotisch“ bezeichnet werden.
Dem Dom zu Magdeburg (ab 1209) verweigern jedoch Puristen das Prädikat „gotisch“, weil dieser Bau noch zu viel Romanik enthalte.
Auch die Liebfrauenkirche Trier (ab 1230) hat es als Zentralbau nicht geschafft, uneingeschränkt als gotischer Bau akzeptiert zu werden.
Einzig die wunderbare Elisabethkirche in Marburg (ab 1135) wird allgemein als gotischer Bau akzeptiert.